Heimatbuch
Aus dem Heimatbuch der Bessarabiendeutschen, bearbeitet und herausgegeben von Pastor Albert Kern,erschienen im Selbstverlag des Hilfskomitees der evangelisch-lutherischen Kirche aus Bessarabien e.V. Hannover
Es war im Jahre 1915. Der Krieg dauerte noch an. Da kamen an einem Markttage Hunderte von Pferdekäufern aus dem hohen Norden Bessarabiens und kauften den Pferdemarkt in Arzis buchstäblich aus. Ich wurde vom Dorfältesten gebeten, beim Ausfüllen der russischen Kaufbescheinigungen mitzuhelfen. Die Vordrucke gingen bald aus, und wir schrieben formlose Zettel, die mit dem Siegel der Dorfkanzlei versehen wurden. Mir fielen beim Schreiben deutsche Namen auf, die Namen der Orte klangen russisch. Heute weiß ich, dass deutsche Bauern aus den Gemeinden im Norden die Käufer waren. - Vielleicht haben diese Pferdekäufe nicht nur zur Feldbestellung gedient, vielleicht zog manches von ihnen an einem Treckwagen nach Sibirien, denn die Volks- und Glaubensgenossen an der Grenze wussten von den Verwandten in Wolhynien und Galizien schon mehr von dem, was den Deutschen drohte.
Was das Dorf Alt-Scholtoi angeht, so hat es mit den anderen nordbessarabischen der alten Heimat ähnliche, von Südbessarabien abweichende Bauernhäuser. „Man erkennt sie als deutsche Dörfer nur an ihrer planmäßigen Anlage". Die Bauernhäuser sind nicht groß und geräumig. Sie bestehen häufig nur aus einer oder zwei Stuben mit einer Küche, drinnen wohnen manchmal zwei Familien. Dabei sind die Familien kinderreich. Die Hauptbeschäftigung war die Landwirtschaft. Doch die meisten waren Pächter, seit der Agrarreform Hektarbauern (je 6 Hektar). Das Fehlen moderner Betriebsmittel machte sich trotz des guten Bodens bemerkbar. Aus Mangel an Weide wurde die Viehzucht kaum betrieben. Als zusätzliche Einnahme diente das Fuhrlohnfahren, das aber zu manchen Auswüchsen führte; andererseits wurden die Leute von den Auftraggebern, meistenteils andersstämmigen Individuen, schäbig ausgenützt.
Obwohl die fremdstämmige Umgebung einen sehr starken Einfluss auf die vom übrigen Deutschtum in Bessarabien abgelegenen Siedlungen ausübte, blieben die Leute im Kern deutsch; vor allem hielten sie an der Kirche fest, sonst wären sie wohl als Inseln im fremden Meer untergegangen. - Kirchlich gehörte Scholtoi zu Kischinew und konnte auch, wie die anderen Gemeinden, nur einmal im Jahr vom Pastor bedient werden. In dem Bericht der Unterstützungskasse von 1906/07 wird Alt-Scholtoi mit 241 Seelen erwähnt, Neu-Scholtoi, aufgelöst durch die Verschickung 1915, hatte damals 182 Seelen. Beide Gemeinden hatten einen Betsaal in der Kirchenschule. Das Elend bis in die Nachkriegszeit aber bestand in dem nicht geregelten Schulwesen. Die Gemeinde konnte das Lehrergehalt nicht laufend aufbringen; in der aufgelösten Gemeinde Naslawtscha bezog der Küster in dem Berichtszeitraum 1906/07 überhaupt kein Gehalt.
Scholtoi war eine sehr kirchliche Gemeinde. Das nette Kirchlein mit dem Türmchen lud zum Gottesdienst ein. Leider war ein Küster nicht immer zugegen. Wie feierlich war es aber, wenn der Pastor, der Jahresgast, kam.
Die Katastrophe der Verschickung traf die Gemeinde hart. Wie von einem Wunder begleitet, kehrte ein Teil der Einwohner nach Ausbruch der Revolution und zeitweiser Beruhigung wieder zurück in die Heimat.
Die Umsiedlung 1940 traf eine Gemeinde an, die sich wieder halbwegs erholt hatte. Sie zählte nach 75 Jahren ihres Bestehens 286 Einwohner, die 420 Hektar Land als Eigentum besaßen. Zwar kam 1945 noch die bitterschwere Flucht, doch: „Die Güte des Herrn ist's, dass wir nicht gar aus sind; seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende" (Klagelieder 3, Vers 22).
Was das Dorf Alt-Scholtoi angeht, so hat es mit den anderen nordbessarabischen der alten Heimat ähnliche, von Südbessarabien abweichende Bauernhäuser. „Man erkennt sie als deutsche Dörfer nur an ihrer planmäßigen Anlage". Die Bauernhäuser sind nicht groß und geräumig. Sie bestehen häufig nur aus einer oder zwei Stuben mit einer Küche, drinnen wohnen manchmal zwei Familien. Dabei sind die Familien kinderreich. Die Hauptbeschäftigung war die Landwirtschaft. Doch die meisten waren Pächter, seit der Agrarreform Hektarbauern (je 6 Hektar). Das Fehlen moderner Betriebsmittel machte sich trotz des guten Bodens bemerkbar. Aus Mangel an Weide wurde die Viehzucht kaum betrieben. Als zusätzliche Einnahme diente das Fuhrlohnfahren, das aber zu manchen Auswüchsen führte; andererseits wurden die Leute von den Auftraggebern, meistenteils andersstämmigen Individuen, schäbig ausgenützt.
Obwohl die fremdstämmige Umgebung einen sehr starken Einfluss auf die vom übrigen Deutschtum in Bessarabien abgelegenen Siedlungen ausübte, blieben die Leute im Kern deutsch; vor allem hielten sie an der Kirche fest, sonst wären sie wohl als Inseln im fremden Meer untergegangen. - Kirchlich gehörte Scholtoi zu Kischinew und konnte auch, wie die anderen Gemeinden, nur einmal im Jahr vom Pastor bedient werden. In dem Bericht der Unterstützungskasse von 1906/07 wird Alt-Scholtoi mit 241 Seelen erwähnt, Neu-Scholtoi, aufgelöst durch die Verschickung 1915, hatte damals 182 Seelen. Beide Gemeinden hatten einen Betsaal in der Kirchenschule. Das Elend bis in die Nachkriegszeit aber bestand in dem nicht geregelten Schulwesen. Die Gemeinde konnte das Lehrergehalt nicht laufend aufbringen; in der aufgelösten Gemeinde Naslawtscha bezog der Küster in dem Berichtszeitraum 1906/07 überhaupt kein Gehalt.
Scholtoi war eine sehr kirchliche Gemeinde. Das nette Kirchlein mit dem Türmchen lud zum Gottesdienst ein. Leider war ein Küster nicht immer zugegen. Wie feierlich war es aber, wenn der Pastor, der Jahresgast, kam.
Die Katastrophe der Verschickung traf die Gemeinde hart. Wie von einem Wunder begleitet, kehrte ein Teil der Einwohner nach Ausbruch der Revolution und zeitweiser Beruhigung wieder zurück in die Heimat.
Die Umsiedlung 1940 traf eine Gemeinde an, die sich wieder halbwegs erholt hatte. Sie zählte nach 75 Jahren ihres Bestehens 286 Einwohner, die 420 Hektar Land als Eigentum besaßen. Zwar kam 1945 noch die bitterschwere Flucht, doch: „Die Güte des Herrn ist's, dass wir nicht gar aus sind; seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende" (Klagelieder 3, Vers 22).
Mit freundlicher Genehmigung des Hilfskomitees der evangelisch-lutherischen Kirche aus Bessarabien e.V. Hannover.